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Neue Erkenntnisse aus der Forschung: Das Angelman-Syndrom kann abgeschaltet werden

Ich formuliere es zum Einstieg mal sehr plakativ:
Es ist Dr. Philpot gelungen, das Angelman-Syndrom bei einer Maus zeitweise auszusetzen und somit helle Momente beziehungsweise wache Phasen zu erreichen. Das Angelman Syndrom wird hiermit nicht geheilt, kann aber zeitweise abgeschaltet werden.

Ich habe einen Hinweis zu einem Webinar (Ein Seminar, dass im Web angehalten wird. Als Interessent kann ich mich hier hinzuschalten und den Vortrag verfolgen ohne das Haus verlassen zu müssen.) bekommen, indem Dr. Benjamin Philpot (University of North Carolina, USA) über seine Forschungserkenntnisse berichtet und diese vorstellt. Ich bin kein Biologe und habe wenig Erfahrung mit Begriffen aus der Medizin in englischer Sprache - aber das wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Ausgangslage:
Normalerweise kümmert sich das mütterliche Chromosom 15 um die Erzeugung (der verwendete Begriff in der Biologie ist Exprimierung) des UBE3A-Gens. Dieses mütterliche Chromosom 15 wird beim Angelma-Syndrom entweder gar nicht übergeben, ist defekt oder wurde vom Organismus falsch erkannt (Imprinting Fehler). Die mütterlichen Eigenschaften (und somit auch die UBE3A-Erzeugung) werden hier nicht abgerufen oder sind abgeschaltet. Das Fehlen des UBE3A-Gens ist einer der Hauptgründe für das Entstehen von Autismus. UBE3A aktiviert andere Proteine und dient sozusagen als Träger/ Auslöser. Das Fernbleiben von UBE3A sorgt dafür dass diese Proteine nicht im Gehirn ankommen.

Die Herangehensweise
von Dr. Philpot ist eine ziemlich Coole: Statt zu versuchen, das mütterliche Chromosom 15 dazu zu bringen UBE3A zu produzieren oder das Chromosom nachzubauen, wird die väterliche Kopie des Chromosoms 15 dazu animiert, den Job der UBE3A-Erzeugung zu übernehmen. Die väterliche Kopie ist im Normalfall "nicht zuständig" UBE3A zu exprimieren, jedoch offenbar grundsätzlich in der Lage dazu. Dr. Philpot und sein Team haben erkannt dass es möglich ist, eben diese die stille Kopie des väterlichen Chromosoms 15 zu aktivieren und Angelman Syndrom damit zu überlisten. Mittels einer Vergabe eines Medikaments (das Krebsbehandlungsmittel "Topotecan") in das Gehirn einer Maus konnte UBE3A und die Folgeproteine sonst "dunkle Bereiche" im Hirn aktivieren und den Autismus sozusagen aufheben.

Stand der Dinge bisher:
Das Ganze ist bisher lediglich zeitweise und an Mäusen gelungen. Durch die Anregung des Transports, konnte das Angelman-Syndrom bei einer Maus zumindest zeitweise "deaktiviert" werden. Die Signale, die mit dieser Behandlungsmethode im Hirn angekommen sind, sind messbar und lassen hoffen. Eine Herausforderung ist die praktikable Aktivierung des UBE3A. Das bedeutet dass noch ein Weg gefunden werden muss, ein Medikament so zu verabreichen, dass es im Hirn ankommt, ohne es direkt in das Hirn einzuspritzen. Eine Vergabe über den Blutkreislauf ist derzeit keine Option, da die Blut-/Hirnschranke ein Ankommen verhindert.

Was bleibt noch zu tun:
Es wird auch noch erforscht wann es am besten ist, das Medikament zu verabreichen. Es muss noch festgelegt werden, wie Zeitraum und Dosis der Vergabe miteinander abgestimmt werden. So können die besten Ergebnisse erzielt werden. "Topotecan" ist noch in der Testphase und noch nicht am Menschen getestet. Es wird noch einige Zeit vergehen und es müssen auch noch viele Tests gemacht werden, bis ein Angelman-Kind mit "Topotecan" behandelt werden kann - aber es ist wieder ein Schritt gelungen.

Mein Fazit:
Zum Abschluss möchte ich noch klar stellen, warum sogar das "zeitweise Abschalten" von Angelman Hoffnung verursacht: Alles was der kleine Mann je gelernt hat, hat er nicht wieder verlernt. Er lernt stetig dazu, wird klüger, sensibler und lernt sich und seine Umwelt permanent besser kennen. "Topotecan" kann also verursachen, dass er in diesen "wachen Phasen" Dinge lernt, die er auch zu jedem anderen Zeitpunkt des Tages abrufen und nutzen kann. Da ich weder Biologe bin, noch gesondert mit medizinischem Englisch vertraut bin, freue ich mich wenn sich auch jemand von Euch das Webinar anhört und die Erkenntnisse bewertet. Ich freue mich über Hinweise, Korrekturen und zusätzliche Informationen. Das Kommentarfeld oder das Kontaktformular an der Seite stehen Euch dafür sehr gern zur Verfügung.

Am Ende des Webinars habe ich mich getraut und die angebotene Chat-Funktion genutzt. Ich wollte wissen, ob ich den Vortrag richtig verstehe, wenn ich aus diesen Forschungserkenntnissen eine "echte Chance" für meine Familie und unseren Jungen entnehme. Auch wenn die Antwort in viele "Wenns" und "Abers" verpackt war - ja, auch das Team um Dr. Philpot sieht hier eine echte Chance. Und das lässt hoffen.

Nachtrag: Das Team um Dr. Philpot hat für seine Forschung ganze 200.000$ gestellt bekommen. Es scheint, als sei das gut investiertes Geld. Es wird nicht nur von Dr. Philpot geforscht, die Aufstellung gibt's hier.

Quellen und Verweise:
Das Webinar selbst
Der Artikel zum Webinar
Dr. Benjamin Philpot
Lesetipp: Angelman-Syndrom: Molekulargenetische Diagnostik

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